Zum Inhalt
Home » Pflegeeinrichtungen in der Krise: Warum trotz steigender Nachfrage immer mehr Heime schließen

Pflegeeinrichtungen in der Krise: Warum trotz steigender Nachfrage immer mehr Heime schließen

  • von

Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland nimmt seit Jahren stetig zu. Doch anstatt neue Kapazitäten zu schaffen, geraten immer mehr Pflegeeinrichtungen in finanzielle Not – einige müssen sogar schließen. Was läuft schief im Pflegesystem? Und welche Folgen hat das für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen?

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts ist die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland zwischen 2017 und 2023 um fast 30 Prozent gestiegen. Prognosen gehen davon aus, dass bis 2050 mehr als sechs Millionen Menschen auf Pflege angewiesen sein werden – Tendenz steigend.

Doch statt mehr Pflegeplätze zu schaffen, schrumpft das Angebot in vielen Regionen. Besonders kleine, privat betriebene Einrichtungen ziehen sich zurück oder müssen aufgeben. Allein 2023 haben laut Verbänden bundesweit rund 300 Pflegeheime ihren Betrieb eingestellt – mit spürbaren Folgen für Betroffene: längere Wartelisten, höhere Preise, mehr Belastung für Angehörige.

Hauptursache: Die Finanzierung passt nicht mehr

Ein zentraler Grund für die Krise liegt in der ungleichen Finanzierung. Pflegeeinrichtungen finanzieren sich aus drei Quellen:

  1. Leistungen der Pflegeversicherung
  2. Eigenanteile der Pflegebedürftigen
  3. Zuschüsse der Bundesländer – soweit vorhanden

Doch diese Finanzierungsstruktur ist nicht mehr tragfähig. Die Pflegeversicherung übernimmt seit Jahren nur einen festen Betrag, der nicht an die tatsächlichen Kosten angepasst wird. Die Differenz müssen die Pflegebedürftigen selbst tragen. Inzwischen liegt der durchschnittliche Eigenanteil für einen Heimplatz laut dem Verband der Ersatzkassen (vdek) bei über 2.500 Euro pro Monat – Tendenz steigend.

Gleichzeitig sind die Kosten für Personal, Energie, Miete und Lebensmittel stark gestiegen. Viele Einrichtungen kämpfen mit den Folgen der Inflation, höheren Tariflöhnen und gestiegenen gesetzlichen Anforderungen – etwa beim Personalschlüssel oder der Digitalisierung. Währenddessen bleibt die staatliche Förderung weit hinter dem Bedarf zurück.

Fachkräftemangel verschärft die Lage

Ein weiteres Problem: Der anhaltende Fachkräftemangel. Viele Einrichtungen finden schlicht kein qualifiziertes Personal – trotz offener Stellen. Pflegekräfte wandern oft in andere Branchen ab oder reduzieren ihre Arbeitszeit, weil die Belastung zu hoch ist. Neue gesetzliche Vorgaben, etwa zur Mindestbesetzung in der Nacht, können von vielen Häusern nicht mehr erfüllt werden.

Besonders betroffen sind Einrichtungen in ländlichen Regionen und solche mit älterem Gebäudebestand, die keine Rücklagen für notwendige Investitionen haben. Hier ist der wirtschaftliche Druck besonders groß – mit der Folge, dass Standorte geschlossen oder durch große Träger übernommen werden.

Welche Lösungen werden diskutiert?

Pflegeverbände fordern seit Jahren eine grundlegende Reform der Pflegefinanzierung. Im Gespräch sind u.a.:

  • Pflegevollversicherung: Die Pflegeversicherung soll – ähnlich wie die Krankenversicherung – alle Pflegekosten abdecken, nicht nur einen Teil.
  • Stärkere staatliche Förderung für Investitionen und Digitalisierung.
  • Entlastung der Pflegebedürftigen durch gedeckelte Eigenanteile.
  • Faire Vergütung und bessere Arbeitsbedingungen, um Pflegekräfte zu halten und zurückzugewinnen.

Die Ampel-Koalition hatte im Koalitionsvertrag eine Pflegereform angekündigt – bislang sind nur punktuelle Maßnahmen umgesetzt. Kritiker bemängeln, dass echte Strukturreformen ausblieben.

Was bedeutet das für Betroffene?

Für Pflegebedürftige und ihre Familien bedeutet die aktuelle Situation vor allem Unsicherheit. Wer einen Heimplatz sucht, muss sich oft auf längere Wege, höhere Kosten und weniger Auswahl einstellen. Angehörige springen häufiger ein – was wiederum deren eigene Belastung erhöht.

Auch ambulante Pflegedienste geraten zunehmend unter Druck. Wenn stationäre Einrichtungen schließen, steigt der Druck auf mobile Versorgungsangebote – doch auch hier fehlen Fachkräfte und finanzielle Mittel.

Ein System am Limit

Die Lage in der stationären Pflege ist ernst. Trotz steigender Nachfrage geraten immer mehr Einrichtungen in finanzielle Schieflage. Wenn keine grundlegende Reform erfolgt, droht ein flächendeckender Abbau von Pflegekapazitäten – mit gravierenden Folgen für eine alternde Gesellschaft. Die Frage ist nicht mehr, ob gehandelt werden muss – sondern wie schnell.