Gesunde, nährstoffreiche Mahlzeiten gelten als Grundlage für die Genesung. Doch ausgerechnet in Krankenhäusern und Pflegeheimen sieht die Realität oft anders aus. Eine neue Studie deckt gravierende Mängel in der Verpflegung auf – mit Folgen für Patienten, Umwelt und Gesellschaft.
Ob frisch operiert oder dauerhaft pflegebedürftig: Wer im Krankenhaus oder Pflegeheim lebt, braucht eine Ernährung, die das Immunsystem stärkt und den Körper mit wichtigen Nährstoffen versorgt. Doch was täglich auf den Tellern landet, entspricht diesem Anspruch nur selten. Das zeigen die Ergebnisse einer gemeinsamen Untersuchung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), der Charité – Universitätsmedizin Berlin und der Stanford University. Die Forscher analysierten Speisepläne und Einkaufsdaten von zwei Krankenhäusern und drei Pflegeheimen in Deutschland. Ihr Urteil fällt ernüchternd aus.
Zu wenig von allem
Die analysierten Einrichtungen boten überwiegend Mahlzeiten an, die zu wenig Gemüse, Obst, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte enthielten. Stattdessen dominierten Weißmehlprodukte, zuckerreiche Speisen und ein hoher Anteil an gesättigten Fetten. Die Folge: Eine insgesamt niedrige Nährstoffqualität. „In allen Einrichtungen lagen die Mengen wichtiger Nährstoffe wie Folsäure, Kalium und Vitamin B6 unterhalb der empfohlenen Tagesdosis“, sagt Lisa Pörtner, Hauptautorin der Studie. Besonders in Pflegeheimen fiel zusätzlich ein Mangel an hochwertigem Eiweiß auf.
Nur ein Fünftel der aufgenommenen Kalorien stammte aus vollwertigen, pflanzlichen Lebensmitteln – ein Wert, der aus ernährungswissenschaftlicher Sicht deutlich zu niedrig ist. Dafür lieferten Weißmehlprodukte über 20 Prozent der Kalorienzufuhr. Rotes Fleisch steuerte zwischen zehn und 17 Prozent bei. Die Forscher warnen: Eine solche Ernährung kann nicht nur den Genesungsprozess verlangsamen, sondern langfristig das Risiko für chronische Erkrankungen erhöhen.
Dabei sind Krankenhäuser und Pflegeheime Orte, an denen Gesundheit gefördert und Vorbilder gesetzt werden sollten – auch beim Essen. Doch die aktuelle Verpflegung leistet das Gegenteil. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass das derzeitige Speiseangebot ein Gesundheitsrisiko darstellen kann, wenn es regelmäßig konsumiert wird“, erklärt Nathalie Lambrecht von der Stanford University. Die ungesunde Ernährung in Gesundheitseinrichtungen sei eine verpasste Chance für Prävention.
Experten fordern grundlegende Reform
Hinzu kommen ökologische Probleme. Tierische Produkte wie Rindfleisch und Milch tragen laut Studie besonders stark zur Umweltbelastung bei – durch hohe Treibhausgasemissionen, hohen Wasserverbrauch und intensive Flächennutzung. Insbesondere der Anteil roter Fleischprodukte steht in der Kritik. Eine stärker pflanzenbasierte Verpflegung könne nicht nur die Gesundheit fördern, sondern auch die Umwelt schützen.
Die Studienautoren fordern daher eine grundlegende Reform der Ernährung in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen. Vorgeschlagen werden verpflichtende Standards, die den Anteil pflanzlicher, nährstoffreicher Zutaten deutlich erhöhen und gleichzeitig den Konsum tierischer Produkte reduzieren. Ziel müsse eine vollwertige, gesundheitsförderliche und gleichzeitig umweltverträgliche Verpflegung sein.
Laut Bundesernährungsministerium gibt es bislang keine bundesweit verbindlichen Vorgaben für Krankenhausküchen oder Pflegeheime. Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sind freiwillig und werden nur vereinzelt umgesetzt. Die Studienautoren sehen hier dringenden politischen Handlungsbedarf. Denn gerade in Einrichtungen, in denen Menschen besonders schutzbedürftig sind, sollte gutes Essen mehr sein als ein Kostenfaktor – nämlich ein fester Bestandteil guter Versorgung.