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Was bleibt? Warum Kinder selten in den Möbeln der Eltern leben möchten

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Erbstücke haben emotionalen Wert, doch im Alltag zeigt sich ein anderer Trend: Die meisten Menschen übernehmen nur wenige Möbel aus dem Haushalt ihrer Eltern. Was früher selbstverständlich war – die große Schrankwand, der Esstisch aus massivem Holz, der Teppich aus dem Wohnzimmer –, findet heute nur selten Platz im neuen Zuhause.

Das hat kulturelle, praktische und persönliche Gründe, die tief in den Wandel unseres Wohnens hineinreichen.

Wie viel vom Elternhaus bleibt wirklich?

Zahlen aus Nachlassforschung, Haushaltsauflösungen und Studien zu Konsumverhalten zeigen ein klares Muster: Im Durchschnitt bleiben nur etwa 5 bis 10 Prozent der Möbel aus einem elterlichen Haushalt tatsächlich in der nächsten Generation. Wohnungsauflöser berichten übereinstimmend, dass bei rund 80 Prozent der Haushalte fast der gesamte Mobiliarbestand weiterverkauft oder entsorgt wird. Selbst hochwertige oder teure Stücke wie Vitrinen, Polstermöbel oder Esszimmergarnituren werden selten übernommen, weil sie zu groß, zu schwer oder stilistisch nicht kompatibel sind.

Hinzu kommt die Veränderung im Wohnungsmarkt. Viele Kinder leben in kleineren Stadtwohnungen mit deutlich weniger Stauraum. Während frühere Generationen 120 Quadratmeter Einfamilienhaus bewohnten, liegt der durchschnittliche Pro-Kopf-Wohnraum der jüngeren Generation deutlich darunter. Große Erbstücke passen schlicht nicht in moderne Grundrisse.

Warum der Stil der Eltern selten weitergegeben wird

Ein weiterer Grund ist der ästhetische Abstand zwischen Generationen. Möbel sind Ausdruck einer Lebenshaltung, einer Zeit und eines sozialen Umfelds. Was die Elterngeneration als hochwertig und repräsentativ empfand, wirkt auf jüngere Menschen oft schwer und überladen. Große Wohnwände, ausladende Ledersofas oder voll bestückte Vitrinen entsprechen nicht mehr dem heutigen Einrichtungsverständnis, das auf Leichtigkeit, Flexibilität und Klarheit setzt.

Viele wollen bewusst nicht „fremdwohnen“. Ein Zuhause soll eine eigene Identität ausdrücken. Selbst bei sentimentaler Verbundenheit zieht höchstens ein kleiner Tisch, eine Lampe oder ein Erinnerungsstück mit um. Der Rest erzählt eine Geschichte, die zwar wertvoll ist, aber nicht die eigene.

Praktische Gründe: Transport, Zustand, Aufwand

Ein weiterer Faktor ist der Zustand älterer Möbel. Polster altern, Holz arbeitet, Mechaniken sind abgenutzt. Die Restaurierung hochwertiger Massivholzmöbel kostet schnell mehrere hundert Euro. Viele Nachkommen entscheiden sich deshalb dagegen – selbst wenn das Möbelstück qualitativ ursprünglich hochwertig war.

Auch der logistische Aufwand spielt eine Rolle. Wohnungslayouts, Türen und Treppenhäuser moderner Bauten sind oft nicht auf große Möbel ausgelegt. Was früher selbstverständlich ins Haus getragen wurde, scheitert heute an engen Grundrissen.

Was bleibt: Kleine Dinge mit großer Bedeutung

Auffällig ist, dass kleine Erinnerungsstücke weit häufiger behalten werden. Fotografien, einzelne Keramikstücke, Bücher, eine Vase oder eine alte Uhr finden fast immer einen neuen Platz. Hier überwiegt die emotionale Bedeutung gegenüber der praktischen Frage des Wohnens. Diese Objekte lassen sich leichter integrieren und erzählen dennoch die Geschichte eines Menschen und einer Familie.

Der eigene Wohnstil zählt

Vielleicht ist es am Ende gut so, dass nur ausgewählte Stücke weitergegeben werden. Jeder Mensch entwickelt im Laufe des Lebens einen eigenen Stil – geprägt von Erfahrungen, Lebensphasen, Geschmack und der eigenen Auffassung davon, was ein Zuhause ausmacht. Ein Wohnraum, der vollständig aus dem Erbe anderer besteht, bleibt selten authentisch.

Die Entscheidung, nur kleine Erinnerungen zu bewahren, ist deshalb kein Zeichen mangelnder Wertschätzung. Sie spiegelt vielmehr wider, wie sehr sich Wohnstile, Lebensmodelle und räumliche Voraussetzungen verändert haben. Was bleibt, ist das Bedürfnis, ein Zuhause zu gestalten, das zur eigenen Lebensrealität passt – mit Platz für ein paar sorgfältig ausgewählte Erinnerungsstücke.